die (emotionale) Distanz vom eigenen Unternehmen

Viele Menschen, die ein Projekt aufbauen, einen Blog starten, ein Produkt kreieren, ein Unternehmen gründen.. kurz: die ihre Idee in die Welt bringen und mit vielen Menschen teilen, identifizieren sich erst mal unglaublich stark mit ihrer Unternehmung. Sie sind nach außen und innen eine Einheit und sind scheinbar untrennbar miteinander verschmolzen. Das geht uns allen so. Das ist normal.

Wenn es dem Unternehmen gut geht, ein Sponsor gewonnen wurde, heute besonders viele Kunden da waren, am Jahresende viel Gewinn da ist, dann fühlt man sich gut. Wenn es dem Unternehmen schlecht geht, die Mitarbeiter unmotiviert sind, der Auftrag nicht gekommen ist.. dann fühlt man sich selbst dementsprechend auch schlecht. Man verknüpft seinen eigenen Erfolg oft voll und ganz mit dem Erfolg seines Unternehmens.

Das ist emotional extrem anstrengend und eine Herausforderung, die Unternehmer in viel stärkerem Maße meistern müssen, als Geschäftsführer oder Mitarbeiter.

Ein Unternehmer hat das Projekt oder Unternehmen selbst gegründet, die Idee dazu ist in seinem Kopf geboren, es ist quasi sein Baby. Hier hat er unglaublich viel Mühe und Energie reingesteckt, ist emotional durch viele Hochs und Tiefs gegangen und steckt somit in einer Rolle, die mit sehr viel Verantwortung und commitment einhergeht. Sicher.. er kann seine Anteile verkaufen, vorausgesetzt er findet einen Käufer, und dann kann er sich davon verabschieden, zumindest auf dem Papier.

Diese mentale Einheit ist deshalb sehr verständlich und nachvollziehbar.

Und obwohl es nachvollziehbar ist, ist es eben emotional unglaublich anstrengend und wirkt am Ende selbstzerstörerisch. Man ist wie eine Fahne im Wind und das eigene Glück ist abhängig von etwas was man nicht, oder nur in einem gewissen Maß beeinflussen kann.

Ein paar Jahre lang hat sich bei mir in meinem Leben quasi alles um mein Unternehmen gedreht und ich habe vergessen zu leben. Aus Angst, dass dem Unternehmen etwas passiert und es mir am Ende dadurch schlecht geht, habe ich irgendwann nur noch gearbeitet und war ein paar Mal auch nahe am Zusammenbruch.

Dann habe ich angefangen, dieses Problem zu beleuchten. Irgendeine Lösung musste es ja geben, denn es gibt sie, die ausgeglichenen und zufriedenen Top Unternehmer, die felsenfest und seelenruhig ihren Weg gehen. Wie machen die das nur?

Ich habe alle möglichen Gedanken hin und hergesponnen, wie ich damit umgehen kann.

  • Jemanden einstellen? Das ging aus finanziellen Gründen nicht
  • Die Vogel Strauß Taktik vielleicht: Einfach 6 Monate wegfahren und hoffen, dass alles noch da ist, wenn ich wiederkomme? Lieber nicht.
  • Das Unternehmen ganz verlassen? Nein, das wollte ich auch nicht.

Was ist dann die Lösung?

Nach vielen Gesprächen mit anderen Unternehmern und vielen Büchern/ Biografien, die ich gelesen habe – hatte ich sie auf einmal gefunden. Eine kleine gedankliche Veränderung mit einer großen Wirkung:

Man hält sein Unternehmen dann emotional auf Abstand, wenn man seinen eigenen Selbstwert nicht an den Erfolg oder Misserfolg seines Unternehmens knüpfst. Mit anderen Worten. Ich bin nicht mein Unternehmen. Du bist nicht dein Unternehmen. Wir alle sind nicht unsere Unternehmen.

Das klingt im Grunde einfach, aber was meine ich damit?

Ich meine damit, dass wir als Menschen und als Personen auf jeden Fall und uneingeschränkt einzigartig und liebenswert sind, egal wie es unseren Unternehmen geht.

Wir haben alles ins Leben gerufen, das allein war schon eine große Tat. Und wir befähigen unsere Unternehmen zu wachsen mit der Energie, die wir geben können, ohne dabei unsere eigenen Grenzen zu verletzen. Für alles andere sind wir nicht verantwortlich. Wenn Fehler – wo auch immer im Unternehmen – passieren, lernen wir daraus und gut ist. Fehler gehören dazu und müssen gemacht werden, einfach schon deshalb damit wir auf unserer eigenen Lernkurve nach oben kommen.

Und wenn wir aufgehört haben, uns über unser Projekt zu definieren, dann passiert noch etwas: Wir können loslassen. Und je mehr wir loslassen können, desto besser geht es uns persönlich und das tut wiederum dem Unternehmen sehr gut, weil wir dann mehr und mehr aus unserer Mitte agieren können.

Diese Erfahrung habe ich auf jeden Fall gemacht. Statt zu kontrollieren, habe ich auf einmal vertraut. Ich habe einfach darauf vertraut, dass die Mitarbeiter das richtige tun, dass die Prozesse gut funktionieren und wenn nicht, dass die Mitarbeiter sie dann selbst anpassen oder sich irgendwie anders selbst helfen und im Sinne des Unternehmens und der Vision das richtige tun. Das war natürlich auch ein innerer Prozess und ging nicht von heute auf morgen. Aber es kam ganz automatisch, quasi als natürliche Folge.

Daneben habe ich ein paar ganz konkrete Dinge getan, die auch alle dazu beitragen, dass ich emotional genügend Abstand halten kann. Das möchte ich dir auch gerne als Inspiration mitgeben:

  1. Ich plane Social Media Posts im Voraus, damit ich nicht täglich damit beschäftigt bin.
  2. Ich mache immer regelmäßige Arbeitspausen und auch längere Urlaube, in denen der Computer und Telefon auf jeden Fall aus ist. Das ist vielleicht ein ziemlich banaler Ratschlag, weil das ja eh klar ist. Aber ich sag das hier trotzdem, denn es ist so einfach zu ignorieren. Als Unternehmer bist du die Quelle für deine Mitarbeiter, neue Ideen etc. Das ist eine deiner wichtigsten Aufgaben.. Und diese Quelle muss immer kraftvoll und frisch sprudeln! Nichts ist lähmender für das Unternehmen, als ein ausgebrannter Unternehmer, der sich im Tagesgeschäft verstrickt und dem dann der Weitblick fehlt.
  3. Wann immer Probleme auftreten und ich den Impuls verspüre, gleich losrennen zu müssen um Dinge in Ordnung zu bringen, versuche ich mir das bewusst zu machen und sage mir selbst: Du bist nicht dein Unternehmen! Alles ist gut!
  4. Ich habe auch immer ein paar kleine persönliche Projekte, an denen ich arbeite. Und je nachdem, kann ich für mehr Ausgleich den Fokus auf diese Themen einfach erhöhen. Das mache ich natürlich während der Arbeitszeit, denn ich will ja nicht mehr oder länger arbeiten, sondern die Zeit in der ich arbeite, mit den Themen verbringen, die mir Energie geben.
  5. Ich möchte gern ein zweites oder drittes Unternehmen gründen und bringe das dann auch voran, auch nicht um mehr zu arbeiten, sondern um den Fokus nicht nur auf dem einen Unternehmen zu haben, sondern darauf eine gute Unternehmerin zu sein. Dann arbeite ich nämlich an mir und daran wie ich meine gedanklichen Hürden und Grenzen überwinden kann.
  6. Wenn du noch keinen Namen für dein Unternehmen hast, dann denke mal darüber nach, einen zu wählen, der deine Dienstleistung beschreibt, dein Projekt, Kampagne oder dein Produkt. Das hat sowieso den Vorteil, dass man schon am Namen erkennt, worum es geht.
    Als Beispiel: wenn du liebe Anna also ein Eltern-Café aufmachen möchtest, dann kannst du es „Playtime“ nennen oder „Latte Mammas“ oder oder.. anstelle von „Anna’s Café“ nennen. Dann ist der Name schonmal Programm und dein Unternehmen ist nach außen hin nicht mit dir persönlich verknüpft. Mit einem „neutralen“ Namen kann man sich dann auch einfacher zurückziehen. Will man sein Unternehmen mal verkaufen, ist das natürlich auch von Vorteil für den Nachfolger.

Als Fazit will ich dir diese wichtigen Dinge nochmal sagen:

Du bist als Mensch und als Person immer großartig und wertvoll für diese Welt bist, egal wie erfolgreich dein Unternehmen oder dein Projekt ist und egal was die Leute oder sonst jemand über dein Unternehmen, deinen Blog oder dein Produkt denkt und sagt.. du bist nicht dein Unternehmen!

Lass los und vertraue. Damit gewinnst du ein gutes Stück emotionale Freiheit. Davon profitiert auch dein Unternehmen.

In diesem Sinne wünsche ich dir, dass du immer die Kraft hast, Quelle zu sein für alles was dich in deinem Unternehmen umgibt.

Wenn du weitere Ideen oder Erfahrungen hast, wie du dir emotionale Distanz schaffst, dann freue ich mich, wenn du mir schreibst. Für mich bleibt das eine Sache, an der ich immer dran bleiben muss und werde, deshalb bin ich für andere Tipps oder Sichtweisen immer dankbar.

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